„Hamburg. Klaus von Dohnanyi, der frühere Bürgermeister der Hansestadt und Bundesminister unter Willy Brandt, hat den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk scharf kritisiert. Dohnanyi spricht in Bezug auf Melnyks Äußerungen und Internetbeiträge von „Schulmeistereien, Provokationen und Unverschämtheiten“.
Melnyk, der zwischen 2007 und 2010 Generalkonsul in der Hansestadt war, ist zuletzt immer wieder durch Attacken auf deutsche Politiker aufgefallen. Kanzler Olaf Scholz (SPD) warf er vor, wie eine „beleidigte Leberwurst“ zu handeln, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ein „Spinnennetz der Kontakte mit Russland“ geknüpft zu haben. Dem sächsischen Landeschef Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) hielt er eine „unverschämte Anbiederung“ vor, er „kuschele“ mit „Kumpelchen Putin“. Und wiederum per Twitter machte Melnyk die „jahrelange Putin-freundliche Politik“ des früheren Außenministers Sigmar Gabriel und seiner „SPD-Kumpane“ für den Krieg mitverantwortlich – sie hätten „den barbarischen Vernichtungskrieg“ gegen die Ukraine „erst herbeigeführt“.
„Die Führung der Ukraine ist zu einer Propagandamaschine geworden“, kritisiert Dohnanyi im Abendblatt-Gespräch. „Geht es dem Botschafter der Ukraine in Berlin nur um Geld und Waffen? Und ist ihm da jedes Druckmittel recht, notfalls auch die Beleidigung von Staatsoberhäuptern, wie im Fall von Bundespräsident Steinmeier?“ Dohnanyi, der von 1976 bis 1981 Staatsminister des Auswärtigen Amtes war, spricht von einem „ungewöhnlichen diplomatischen Instrumentenkasten“.
Scharf kritisiert er in diesem Zusammenhang die Reise des CDU-Parteichefs Friedrich Merz nach Kiew und dessen Treffen mit Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Wie kann Herr Merz, der noch vor wenigen Monaten Steinmeier persönlich gewählt hat, jetzt zu Selenskyj reisen, als sei nichts gewesen?“
Er selbst sei da von der alten Schule, sagte Dohnanyi: „Der Botschafter ist einzubestellen, im Falle Steinmeier ebenso wie im Falle Scholz. Es ist eine offizielle Entschuldigung von Präsident Selenskyj und Botschafter Melnyk einzufordern: Bleibt beides aus, wäre Herr Melnyk zur persona non grata, zur unerwünschten Person, zu erklären und er müsste Deutschland verlassen; ein neuer Botschafter würde erst akkreditiert, wenn die Entschuldigungen eingegangen sind.“ Diese Reaktion würde er sich von der Außenministerin Annalena Baerbock wünschen – „aber wo bleibt sie?“
Dohnanyi, der im Juni 94 Jahre alt wird, hatte erst vor kurzem den Bestseller „Nationale Interessen“ veröffentlicht. Regelmäßig mischt sich der Sozialdemokrat in die Politik ein. Der Ukraine rät er zu mehr Selbstkritik: „Man selber tat wenig zur Sicherung des Friedens und sollte nun wenigstens mit dem großzügigen Helfer Deutschland dankbar und höflich umgehen!“